Ich tue mich relativ schwer die Haltung nachzuvollziehen. Auf der einen Seite mit Schulungen etc. Gelf zu verdienen und auf der anderen Seite dann kurz nach dem Release aus allen Wolken zu fallen und die große Enttäuschung zu erfahren, weil ein Multi-Kategorien-System nicht vorhanden ist.
Ich will gar nicht bestreiten, dass Joomla! in der Vergangenheit sehr sehr sehr viel falsch gemacht hat in seiner Kommunikation, im Entwicklungsprozess und in der Einbindung von der Community und es weiterhin tut, aber (und hier das sehr große "ABER"), seit ca. 2018 sehe ich eine klare Kehrtwendung hier. Es haben sich viele Leute eingefunden, denen Joomla! wirklich am Herzen liegt und es wurden viele Probleme angefasst. Leider kann man in dieser relativ kurzen Zeitspanne neben der Entwicklung von einem neuen Hauptrelease nicht jahrelange Versäumnisse wieder glatt ziehen. Das braucht auch seine Zeit.
Was mich dann persönlich sehr frustiert ist dann diese Arroganz und Unverschämtheit, dass zwei Tage nach dem Release solche Posts auftauchen die den Entwicklern, Supportern etc. unterstellen, dass sie Joomla! nur aus Geltungssucht an die Wand fahren. Besonders ärgerlich, da dies von (wie ich einschätzen würde) erfahrenen Supportern geschieht, die mit den Jahren hoffentlich ein bisschen mehr Wissen angesammelt haben als nur Klicki-Bunti und, wie ich dachte, differenzieren können zwischen Joomla! Core und 3rd Party-Entwicklern.
Ich weiß nicht wer das "Versprechen" mit dem Update abgegeben hat, vielleicht war es sogar ich, aber ich kann nur sagen, wenn die Servervoraussetzungen stimmen kann der Joomla! Core tatsächlich ohne Probleme aktualisiert werden. Fehlende Joomla! 4 Unterstützung seitens 3rd-Entwickler nun Joomla! core vorzuwerfen ist lächerlich, insbesonders da bei einer sauberen "best practice" Programmierung es wenig Aufwand ist seine Erweiterung zumindest Joomla! 4 ready zu haben (das "schlimmste" dürfte tatsächlich das Bootstrap 4 Backend sein, aber nach ca. 10 Jahren ist das meiner Meinung nach akzeptabel).
Hier stellt sich für mich auch die Frage, wann denn sollte man auf neue Technologien setzen? Ich meine, Joomla! 3 ist ehrlich gesagt entwicklungstechnisch ziemlich am Ende. Alles was dafür kommen würde ist doch nur noch reingefriemelt und nicht wirklich zukunftsfähig.
Mit Joomla! 4 wurde, zugegeben, jetzt nicht die offensichtliche Innovation im Internet erschaffen, aber es wurde so viel unter der Haube geschraubt, dass man plötzlich wieder zukunftsfähig und flexibel sein kann. Out-of-the-box Barrierefreiheit, SEO Optimiert, schnell (Lighthous gibt glaub eine 98+ Wertung) und vieles mehr ohne irgendetwas installieren zu müssen. Ich weiß nicht was ihr für Kunden habt, aber in meinem Kundenkreis kommt das sehr gut an und gleichzeitig eröffnet mich dadurch plötzlich auch ein komplett neuer Kundenkreis, den ich bedienen kann ohne selbst viel Aufwand betreiben zu müssen.
Vielleicht ist der größte Unterschied von unserer Vorgehensweise, dass ich die letzten 3 Jahre nicht eierschaukelnd dagesessen bin und fremde Menschen das Herzstück meines Business (die Software) überlassen habe sondern aktiv daran beteiligt war. Weil das ist tatsächlich die Magic von Joomla!: jeder ist hier seines Glückes Schmied.
Abgesehen von den oben erwähnten direkten Verbesserungen finde ich persönlich die potenziellen Möglichkeiten von Joomla! 4 sehr spannend. Durch die große Aufräumaktion sind plötzlich viele Möglichkeiten in der Zukunft möglich, die mit 3 nur sehr schwer oder gar nicht umsetzbar waren.
Sei es eine Multidomain-Fähigkeit (plötzlich wird Joomla! wieder für große Firmen interessant mit mehreren Deparments) aus dem Core heraus, automatische Updates (die den zukünftigen Update-Prozess noch weiter vereinfachen werden), der Medienmanager bietet Unmengen an potenzial durch dessen Pluginfunktion (gerade arbeiten mehrere Entwickler an der Editierbarkeit von PDFs in Joomla!, was sich später hoffentlich auf Video/Audio/was auch immer ausweiten wird) und den Workflow: Benutzerberechtigungen je nach Status des Titels, automatische Verwaltung über Cronjobs (habe ich erwähnt, dass es da auch ein GSoC Projekt gibt?) von Artikel, stukturiertes Arbeiten (auch für kleine Einzelseiten, wie schnell vergisst man bei bloggen einen Schritt...beim Workflow nun nicht mehr) und so vieles mehr.
Um diese Möglichkeiten in den kommenden Versionen zu haben musste sehr viel Zeit investiert werden um die Grundlagen zu schaffen, aber um das Potenzial auch auszunutzen muss sich definitiv das Mindset ändern, nicht: "Was kann Joomla! für mich machen?" sondern "Was kann ich für Joomla! machen?". Mich schaudert es immer, wenn ich von "die" oder "denen" lese (was ich in diesem Post mit Absicht auch gemacht habe). Mittlerweile ist die Joomla!-Entwicklung wieder so offen, dass jeder sich in irgendeiner Form beteiligen kann. Es gibt kein "die" es gibt hier nur ein "uns". Um die Fehler der Vergangenheit ausgeräumt zu bekommen braucht es, wie oben erwähnt, sicher noch ein bisschen Zeit, aber es gibt bedeutend mehr Leute die sich gegen den negativen Trend versuchen zu stemmen, vielleicht nicht genug, vielleicht reicht es aus....es wird aber definitiv einfacher wenn sich weitere Leute anschließen.
Natürlich werde ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Kundenseiten auf Joomla! 4.0 migrieren, da wie oben erwähnt Joomla! 3 noch (mindestens) zwei Jahre läuft und das ganze mit Bedacht angegangen werden sollte (siehe 3rd-Party-Entwickler-Erweiterungen die verfügbar sein müssen) aber wir starten schon mit der Planung, weil oft auch nach der langen Zeit mit Joomla! 3 eh ein Relaunch ansteht. Meine Kunden zumindest freuen sich sehr auf Joomla! 4, weil ich ihnen die Angst nehme nicht schüre und die Vorteile so dermaßen überwiegen, dass der Kunde auf lange Sicht Zeit und Geld spart (und darum gehts doch).